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Rheologische Untersuchung von Baustoffen

Die Bauindustrie ist mit einer Vielzahl von öffentlichen und industriellen Projekten konfrontiert, bei denen verschiedene Arten von Materialien, von natürlichen bis zu synthetischen, zum Einsatz kommen. Bei diesen Materialien handelt es sich überwiegend um Verbundwerkstoffe wie Ziegel, Zement und Beton sowie um modifizierte Materialien wie Gewebe, Schäume, Glas, Metalle, Kunststoffe und Keramik. Alle diese Materialien tragen zur langfristigen Stabilität und Funktionalität bei, als Isolierungsmaterial, als Schutz gegen Feuchtigkeit, und zur Feuerbeständigkeit von Gebäuden. 

Rheologisches Verhalten von Baustoffen

Rheologische Messungen können für diese Materialien eingesetzt werden, um die Qualität zu kontrollieren, das Verarbeitungsverhalten zu verbessern und das Langzeitverhalten der Endprodukte zu optimieren.  

Typischerweise gemessene Baustoffe

Keramikschlicker

Keramische Materialien existieren in einer Vielzahl von verschiedenen Texturen für eine Vielzahl von Anwendungen. Keramikschlicker besteht aus mehreren Komponenten. Eine dieser Komponenten ist Ton, beispielsweise Kaolin, das ein Kaliumsilikat des Minerals Kaolinit ist. Kaolin wird aus historischen Gründen auch Porzellanerde genannt und ist in der ganzen Welt z. B. in Form von Teetassen bekannt geworden. Es entsteht durch den Abbau und die Umwandlung von Silikatgesteinen. Reines Kaolin ist schneeweiß; in Mischung mit Quarz oder Feldspat wechselt es zu einer graugelben Farbe (Rohkaolin, Kaolinsand). Kaolin, das durch die Verwitterung von Granit und Feldspat entstanden ist, ist an vielen Orten auf der ganzen Welt zu finden.

In der Bauindustrie werden keramische Materialien häufig für Fliesen (für Böden, Arbeitsplatten und Kamine), Ziegel, Isolatoren und als Sanitärkeramik verwendet. Wie auch immer die Form am Ende aussieht, am Anfang der Verarbeitungskette wird Keramik in Form von Schlicker verarbeitet und transportiert.

Rheologische Untersuchungen an Keramikschlicker

Die Verarbeitungs- und Transporteigenschaften von Schlicker hängen stark von seinen rheologischen Eigenschaften ab. Die Kenntnis der rheologischen Parameter (wie Fließgrenze und Viskosität) ist daher unerlässlich, insbesondere beim Transport einer großen Menge Schlicker. Mit einem Rotationsrheometer können Fließ- und Viskositätskurven gemessen und auch die Fließgrenze berechnet werden. In der Rheologie wird der Grenzwert der Kraft überschritten, um das Kräftenetzwerk der inneren Struktur zu überwinden, mit der Fließgrenze beschrieben, z. B. beim Anpumpen des Schlickers.Die Messung der Fließgrenze und der Viskositätsfunktion liefert wichtige Informationen zum besseren Verständnis des Fließverhaltens von Schlicker in Rohrleitungen. Sie hilft auch dabei, Probleme mit Schlicker zu lösen, der schwer zu pumpen ist. Die rheologischen Eigenschaften von Keramikschlicker können durch Veränderungen in der Schlickerzusammensetzung beeinflusst werden, z. B. durch die Volumenkonzentration (Wassermenge), Additive (Feststoffe, Polymere, Flüssigkeiten), die Partikelgröße sowie durch die Prozessbedingungen wie die Pumptemperatur oder die Fließgeschwindigkeit.

Für diesen Test wird ein Rheometer benötigt.

Verbundböden

Bevor Fußböden (Parkett, Laminat, Bodenfliesen, Vinylböden usw.) fertiggestellt werden können, muss ein Belag oder Verbundboden als Grundlage aufgebracht werden. Dieser dient als Füllmaterial zwischen Zement und Bodenbelag sowie als lastverteilende Schicht. Unterhalb einer Bohlenheizung kann auch schall- und temperaturdämpfendes Material eingebaut werden.

Ein Verbundboden ist eine besondere Art von Boden, der direkt auf den Zement aufgebracht wird und somit vollständig mit ihm verbunden ist. Dieser Verbund kann alle Arten von Kräften aufgrund von Verformung, thermischer Belastung und Verkehrsbelastung aufnehmen, ist aber nicht gegen Lärm oder Hitze isoliert. Daher finden sich solche Böden vor allem in Kellern, Lagerräumen und als Basis für Antriebe, bei denen hohe dynamische Belastungen durch Schwingungen zu erwarten sind. 

Rheologische Untersuchungen an Verbundböden

Um Schäden durch die eventuell einwirkenden hohen Belastungen zu vermeiden, müssen das Deformationsverhalten des Verbundbodens untersucht und angepasst werden. Das Abbindeverhalten nach dem Auftragen als fließfähiges Material ist ebenfalls für die Weiterverarbeitung des Bodens sehr wichtig. Mit einem Rheometer kann beispielsweise das Fließverhalten eines Materials über einen bestimmten Zeitraum gemessen werden, um die Abbindezeit der Mischung zu bestimmen. Die Menge und Art des verwendeten Abbindeverzögerers (Retarder) beeinflusst die Abbindezeit. Durch die Messung von Proben von fließfähigen Verbundböden mit unterschiedlichen Anteilen an zugegebenem Abbindeverzögerer kann das geeignete Komponentenverhältnis zur Optimierung des zeitabhängigen Verhaltens ermittelt werden.

Für diesen Test ist ein Rheometer mit Kugelmesssystem erforderlich.

Glas

Dieses transparente Material im festen Zustand tritt in Form von Verpackungsmaterial (Gläser, Flaschen, Flakons) auf und wird auch in der Bauindustrie (Fenster, Fassaden, Dämmung), der Möbelindustrie (Spiegel, Tische, Regale) und der Automobilindustrie (Windschutzscheiben, Hintergrundbeleuchtung) eingesetzt, um nur einige Anwendungsbereiche zu nennen. Da sich Glas bei Raumtemperatur wie ein Feststoff verhält, kann es nur als Schmelze geformt werden. Im flüssigen Zustand kann es gegossen, geblasen, gepresst und in eine Vielzahl von Formen gebracht werden.

Die Eigenschaften von Glas hängen stark von seiner Zusammensetzung ab. Im Allgemeinen besteht der Grundwerkstoff Glas aus Siliziumdioxid, aber die Eigenschaften können durch Zugabe anderer Komponenten wie z. B. Metalle verändert werden. So ist beispielsweise Glaswolle eine spezielle Glassorte, die aufgrund ihrer geringen Wärmeleitfähigkeit (neben anderen Eigenschaften) als Dämmstoff eingesetzt wird. Während Glas oft eine Schmelztemperatur von etwa 500 °C aufweist, kann er bei Spezialglas auch über oder um 1000 °C liegen. Bei Temperaturen oberhalb des Schmelzpunktes kann Glas als Schmelze verarbeitet werden. 

Rheologische Untersuchungen an Glas

Rheologische Messungen von Glasschmelzen und insbesondere die Charakterisierung des temperaturabhängigen Verhaltens werden beispielsweise zur Optimierung des relativ energieintensiven Produktionsprozesses durchgeführt. Des Weiteren sind Torsionsprüfungen mit massiven Glasstäben bei Raumtemperatur möglich.

Darüber hinaus müssen neu entwickelte Glasmaterialien in Laborversuchen an einzelnen Proben getestet werden, bevor sie in die Massenproduktion gehen. Ob es sich um eine Änderung der chemischen Zusammensetzung von Glas oder um eine neue Behandlungstechnik handelt, all dies wirkt sich auf die physikalischen Eigenschaften von Glas aus. Das Wissen um die  Viskositätswerte sowie des Erweichungs- und Schmelzpunkts sind in diesem Fall entscheidend. Solche Messungen werden in Fertigungsunternehmen, aber auch an Hochschulen und sonstigen Forschungseinrichtungen durchgeführt, da die Anwendung und Modifikation von Spezialglas immer noch zur Grundlagenforschung zählt. Für Spezialglas im geschmolzenen Zustand ist nicht nur das temperaturabhängige Verhalten, sondern auch das scherabhängige Verhalten von großem Interesse. 

Tatsächlich sind Messungen von Glasschmelzen zeitaufwändig, da es einige Zeit dauert, bis die Probe die erforderliche Temperatur erreicht hat. Mit einem Ofen- oder Hochtemperatur-Rheometersystem ist es möglich, automatisierte Rotationstests und Oszillationstests mit einem Softwareprogramm durchzuführen, das beispielsweise eine vordefinierte Messtemperatur in einem Temperaturbereich von bis zu 1600 °C voreinstellen und steuern kann.

Für diesen Test wird ein Ofen und Messgeomtrie  in Kombination mit einem Rheometerkopf benötigt (Furnace Rheometer System, FRS).

Gips

Gips ist ein häufig verwendeter Baustoff. Es handelt sich um ein trockenes Pulver wie Zement und Mörtel, das nach dem Mischen mit Wasser verarbeitet werden kann und anschließend unter trockenen Bedingungen aushärtet. Im Gegensatz zu Mörtel und Zement bleibt Gips nach dem Abbinden relativ weich und kann leicht mit Metallwerkzeugen oder sogar Schleifpapier bearbeitet werden. Aufgrund dieser Eigenschaften ist Gips eher eine Auftragsschicht als ein tragendes Material. Anwendungen sind z. B. die Glättung von Innen- oder Außenflächen wie Wände, Decken und der Außenputz von Gebäuden.

Es gibt verschiedene Arten von Gips, wie Kalkputze, Zementputze oder Harzputze. Letztere unterscheiden sich von einem reinen Mineralputz durch die Zugabe von organischen Bindemitteln.

Rheologische Untersuchungen an Gips

Informationen über das rheologische Verhalten sind für die Produktion (Verarbeitungseigenschaften), die Entwicklung (Einfluss von Additiven auf die Eigenschaften) sowie für die Qualitätskontrolle unerlässlich. Dieses Verhalten lässt sich anhand der Viskosität und den Fließeigenschaften beschreiben, etwa über die Strukturregeneration nach dem Scheren. 

Die Viskosität von Gips kann z. B. mit einem Rotationsrheometer in Kombination mit einem Kugelmesssystem bestimmt werden, das für Tests von halbfesten Dispersionen mit Partikeln bis zu einem Durchmesser von 5 mm entwickelt wurde. Während der Messung bewegt sich eine Kugel auf einer kreisförmigen Bahn durch die Probe. Nur bei der ersten Umdrehung schert die Kugel auf einer Bahn durch ungeschertes Material, aus dem die Partikel noch nicht weggestoßen wurden. Daher ist ein Rheometer erforderlich, das in der Lage ist, innerhalb nur einer einzigen Umdrehung eine Fließkurve über mehrere Dekaden der Drehzahl zu steuern. Die Kenntnis des Fließverhaltens und der Viskosität von Gips unter verschiedenen Bedingungen wie Fließgeschwindigkeit und Temperatur erlaubt Rückschlüsse auf die Verarbeitbarkeit.

Für diesen Test ist ein Rheometer mit Kugelmesssystem erforderlich.